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Wünsche, Anregungen, Beschwerden

In Auwiesen steht diese Reihenfolge Kopf. Die Beschwerde kommt zuerst. Ein Gespräch mit Karin Mezgolich, Verein VSG für innovative Sozialprojekte, über Konflikte, Ängste und Erfahrungswerte nach drei Monaten Stadtteilarbeit. Wolfgang Schmutz fragte für die Filiale Auwiesen nach.

Filiale: Der Verein VSG wurde im Jahr 1997 von der Stadt Linz gegründet. Die Arbeit hat damals mit dem Projekt KICK begonnen, das Jugendliche beim Einstieg ins Berufsleben begleitet hat. Inzwischen ist das Spektrum ja deutlich angewachsen, von Zeittauschbörse über Frauenberatung bis zu einer Produktionsschule und jüngst auch durch eine Projekt zur Stadteilarbeit, das jetzt in Auwiesen seine Premiere feiert.

Karin Mezgolich: Uns gibt es seit Februar in Auwiesen und unser Auftraggeber ist das städtische Amt für Soziales, Jugend und Familie. Thomas Dautovic und ich, wir sind beim Verein VSG zu je 30 Wochenstunden angestellt, und teilen uns derzeit das Büro am Wüstenrotplatz mit Stadtwerkstatt, Radio FRO und Festival der Regionen. Wobei wir uns im Juni nach einer neuen Räumlichkeit umschauen müssen, weil wir uns mit unserem Budget diesen Standort alleine nicht leisten können.

Filiale: Für wie lange ist das Projekt vor Ort geplant?

KM: Für ein Jahr gibt es jetzt einmal ein Budget, aber wir wünschen uns natürlich, dass es danach weiter von Stadt und Land finanziert wird. Gemeinwesenarbeit macht ja auch nur dann Sinn, wenn sie längerfristig angelegt ist. Wir sind jetzt im ersten Jahr vor allem damit beschäftigt, unseren Bekanntheitsgrad vor Ort zu steigern, zu signalisieren, dass wir da sind. Die Kontaktaufnahme zu den hiesigen Einrichtungen und Institutionen und zu den BewohnerInnen von Auwiesen ist jetzt einmal wichtig.

Filiale: Gab es spezielle Beweggründe dafür, die Stadtteilarbeit hier in Auwiesen über den VSG abzuwickeln? In der solarCity hatte das Magistrat das kürzlich geschlossene Stadtteilbüro ja selbst betrieben.

KM: Auch im Franckviertel wird die Arbeit direkt über das Magistrat abgewickelt, warum es hierausgelagert wurde, wissen wir nicht.

Filiale: Auf den ersten Eindruck wirkt eure Arbeit vor Ort ja durchaus "erfrischend"und weit weniger behäbig, als vielleicht ein Magistratsapparat das abwickeln würde. Aber wie geht es danach weiter? In welcher Form gebt ihr die Ergebnisse eurer Arbeit an das Magistrat, an die politischen Entscheidungsträger weiter?

KM: Wir haben vom Magistrat bestimmte Förderkriterien vorgeschrieben bekommen, das inkludiert eine quantitative Statistik über Besucher- und BewohnerInnenkontakte, den Kontakt zu Einrichtungen vor Ort, welche Projekte initiiert wurden, welche Veranstaltungen durchgeführt wurden. Der Abgabetermin dafür ist November. In weiterer Folge planen wir auch noch ein BewohnerInnentreffen hier im Volkshaus Auwiesen, damit wir auch transparent machen können, was wir im Laufe des Jahres gemacht haben, damit das auch vor Ort öffentlich nachvollziehbar wird.

Filiale: Wie fließt das dann in die Stadtpolitik ein? Was passiert im Anschluss mit eurer Arbeit?

KM: Also wir gehen schon davon aus, dass das Ganze verlängert wird. Es kann nicht Sinn machen, dass nach einem Jahr, in dem wir vor allem mit Kontaktaufnahme beschäftigt sind, das Projekt abgedreht wird.

Filiale: Also ihr geht davon aus, dass ihr mit den Ergebnissen dieses ersten Jahres selbst in anschließende Projekte hineingehen werdet?

KM: Ja. Wir haben jetzt zum Beispiel festgestellt, dass es sehr viele Kinder im Alter von acht bis dreizehn Jahren gibt, die bis spät in die Nacht hinein alleine im öffentlichen Raum unterwegs sind. Wenn wir noch einen dritten Posten vor Ort bewilligt bekommen, wäre es gut, noch jemanden zusätzlich zu haben, der als sogenannter 'Sports Player' tätig ist und ein Freizeitangebot für und mit den Kindern und Jugendlichen entwickelt. Das gibt es beispielsweise im Franckviertel schon. Es geht vor allem um eine konkrete Zielgruppenarbeit, die auf den unmittelbaren Bedarf eingeht, wie etwa auf die fehlenden erwachsenen Bezugspersonen in der Freizeit.

Filiale: Im Zuge der Vorbereitung des Festivals der Regionen hier in Auwiesen, ist für die Beteiligten ziemlich offensichtlich geworden, dass es zwischen Erwachsenen und Jugendlichen eine sehr große Kluft gibt. Welche Schlüsse lassen eure Erfahrungswerte zu?

KM: Die Ursache des Konflikts sind die ziemlich unterschiedlichen Bedürfnislagen. Wir vom Stadteilbüro sind ja für die ganz Kleinen bis hin zu den 99-Jährigen zuständig. Da gilt es bei allen herauszufiltern, wo die jeweiligen Interessen und Bedürfnisse liegen. Welche sind erfüllt, welche nicht? Unsere Wahrnehmung ist, dass es vor allem in der Nutzung des öffentlichen Raums, in Parkanlagen und bei Spielplätzen zu Konflikten kommt. Junge Leute brauchen Action, wollen ihre Grenzen ausloten, wohingegen ein Familienvater oder ein Hackler nachhause kommt und sich „niederhau'n“ will. Pensionisten haben auch wieder ganz andere Bedürfnisse.

Filiale: Die älteren Personen sind ja eher die „Lärmbelästigten“, während die Jugendlichen draußen unterwegs sind. Eine wirkliche Nutzung des öffentlichen Raums seitens der Erwachsenen findet ja gar nicht statt.

KM: Trotzdem gibt es dort Konflikte, weil eben auch die Erwachsenen sich gerne einmal in den Park setzen würden, um gemütlich Zeitung zu lesen und Kaffee zutrinken. Das funktioniert aber nicht, weil die Jugendlichen den Platz schon okkupiert haben und im öffentlichen Raum dominieren. Sie halten sich dort auch nicht an die Grenzen, vor allem in Bezug auf Lärmbelästigung und dem oft von Erwachsenen thematisierten Vandalismus. Da funktioniert das Zusammenleben dann eben nicht.

Filiale: Was tun?

KM: Wir wollen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass es in einem Stadtteil, in dem unterschiedliche Generationen wohnen, auch Plätze geben darf, wo die jungen Leute dominieren dürfen.
Die Idee der Durchmischungder Bewohnerstruktur ist ja an sich sehr gut, dass aber eben Alt &Jung manchmal nicht so gut miteinander können, liegt an unterschiedlichen Interessen und einem abweichenden Freizeitverhalten. 
Ein möglicher Lösungsansatz ist jener der Parkbetreuung in Wien. Die haben dort ein Angebot für verschieden Altersgruppen zu verschiedenen Zeitpunkten gesetzt. So hat jeder das Gefühl, er ist im Park willkommen und er kann ihn auch für seine Interessen nutzen. Überschneidungen vermeidet man dann halt, so sind beispielsweise von zwei bis vier Uhr nachmittags die Pensionisten, danach die Kinder und dann die Jugendlichen dran.

Filiale: Das klingt nach einem stark durchgeplanten und segmentierten Freizeitverhalten. Ein Miteinander ist ja ein zeitlich getrenntes Nebeneinander noch nicht ...

KM: So streng ist das ja nicht, dass dann nur die Pensionisten oder nur die Kinder im Park sind. Das Angebot für eine bestimmte Gruppe ist einfach für einen gewissen Zeitraum vorhanden. Die Kinder sind ja dann auch neugierig auf das was da passiert, und werden davon angelockt. Das darf ja auch sein. Außerdem ist das ja auch nur einer von vielen Lösungsansätzen. Es ist einfach wichtig, herauszufinden, welches Angebot stadtteilspezifisch das richtige ist.

Filiale: Bei der letztwöchigen Diskussion im Volkshaus hatte man den Eindruck, dass seitens der Erwachsenen schon eine ziemliche Frustration bezüglich der Probleme vor Ort, vor allem in Bezug auf die Jugendlichen, existiert. Das wird wohl für euch ein ziemliches Stück Arbeit werden ...

KM (lacht): Mir ist es beider Diskussion ähnlich gegangen, aber genauso in Gesprächen, die wir diese Woche mit den AnwohnerInnen hatten. Den Hebel kann man da aber schon ansetzen. Zuerst muss man einmal feststellen, in welcher Stufe der Konflikt sich befindet. Wenn der schon zu stark verhärtet ist, dann muss man einen neutralen Dritten hinzuziehen. Wir, Tom und ich, haben beide keine Mediationsausbildung, also werden wir uns bei ganz heftigen Geschichten einen Dritten dazu holen.
Wichtig ist jedenfalls, dass man alle Seite wahrnimmt, und welche Ängste dahinter stecken. Auch, dass man das mangelnde Sicherheitsgefühl ernst nimmt und dadurch auch die Menschen selbst. Soweit es beispielsweise die „Gruabn“ angeht, wo der Großteil der erwachsenen Diskussionsteilnehmer von letzter Woche wohnt, wollen wir dort einmal mehr Präsenz zeigen, uns ein Bild machen und dokumentieren, auf was wir vor Ort stoßen. Wir wollen eine Befragung machen, die die AnwohnerInnen aktiv mit einbindet, weil es ja sein kann, dass nur ganz wenige die „Gruabn“ als Störfaktor sehen, es kann sein aber natürlich auch sein, dass es ganz vielen so damit geht. Außerdem kann man da schon offene Fragen mit einbauen, nach dem Motto, dieses Problem gibt's, was fällt den Ihnen dazu als Lösung ein? Dann kann man in Form eines Brunchs,einer Veranstaltung alle einladen, um ins Gespräch zu kommen, oder ein Treffen im Volkshaus arrangieren. Das sind Zugänge, die wir anbieten können. Lösungen müssen aber die BewohnerInnen selbstfinden.

Filiale: Ein nicht zu vernachlässigender Aspekt in der Diskussion um Auwiesen ist ja derauch der beständige Ruf nach mehr Polizeipräsenz, medial zumindest verstärkt und von Teilen der Stadtpolitik immer wieder gefordert. In welchem Bezug steht ihr zur Exekutive, seid ihr im Austausch oder warte sie ab, was ihr einmal vor Ort erreicht?

KM: Wir arbeiten mit der Exekutive insofern zusammen, als wir mit der Plattform Auwiesen jaVertreter aller Institutionen zum Austausch eingeladen haben. Daran nimmt seitens der Polizei eine Jugendkontaktbeamtin teil, die für Auwiesen zuständig ist. Die Plattform ist dazu da, sich alle sechs bis acht Wochen gegenseitig auf dem Laufenden zu halten und vorhandene Ressourcen zu Bündeln. Gemeinsam kann man auch besser an neuen Zugängen arbeiten. Dort fließt die Sichtweise der Polizei mit ein, einen ständigen direkten Kontakt gibt es derzeit keinen.

Filiale: Glaubst du, dass euer Projekt hier in Auwiesen, auch in anderen Stadtteilen notwendig bzw. sinnvoll wäre? Oder stecken wir schon alle in einem Diskurs fest, der ständig neue soziale Brennpunkte in einer Stadt auftut, die nicht gerade arm ist und nicht gerade wenige Sozialeinrichtungen hat?

KM: Wobei bei den Sozialeinrichtungen die Vernetzung auch nicht immer gut funktioniert ... Generell denke ich, dass Gemeinwesenarbeit immer Sinn macht, weil sie ganz viel im präventiven Bereich leisten kann. In der Stadt, in der viele Menschen auf engstem Raum leben, wird uns die Arbeit nie ausgehen, weil da immer Konflikte auftauchen. Also die Frage nach der Sinnhaftigkeit stellt sich mir nicht. Wenn wir ich mir etwas wünschen würde, oder ich wüsste, wir hätten soviel Geld, dann würde ich in jedem Stadtteil in Linz Gemeinwesenarbeit installieren.

Filiale: Läuft eure jetzige Arbeit nicht gerade vor den Gemeinderatswahlen Gefahr, im Getöse um schlechte Nachrichten aus Auwiesen unterzugehen?

KM: Die Gefahr besteht schon. Wünschen tue ich mir das natürlich nicht. Ich glaube aber schon, dass durch das viele Angebot, das jetzt mit dem Festival der Regionen und mit der Filiale gesetzt worden ist, das so wunderbar auf die Bedürfnisse der BewohnerInnen reagiert hat, in die Lebensräume hineingegangen ist und sich an den BewohnerInnen auch interessiert gezeigt hat, ich glaube, dass Auwiesen dadurch lebendiger geworden ist. Es ist klar, dass so ein Festival unterschiedlich angenommen und wahrgenommen wird, aber ich denke, dass ein ein gelungener Lebensraum immer lebendig und bunt ist, und auch so erlebt werden will. Was in den letzten Monaten hier passiert ist, ist eine wunderbare Ergänzung gewesen.

Filiale: Ihr erhofft euch also ein wenig Schwung daraus für die zukünftige Arbeit?

KM: Ja, aber das wünsche ich mir nicht für uns, sondern für die BewohnerInnen.

***

Das Stadtteilbüro von VIEW befindet sich bis Ende Juni im sogenannten „Wüstenrot-Pavillon“ am Wüstenrotplatz 1.

Karin Mezgolich und Tomislav Dautovic bieten fixe Sprechstunden an. Im Juni an folgenden Tagen, jeweils von 17.00 bis 19.00 Uhr:

18.06.2009, Eltern-Kind Zentrum, Kleinmünchen/Auwiesen
Schickmayrstr. 16

25.06.2009, Cafe Tuchfabrik, Schörgenhubstr. 39

08.06.2009,Stadtbibliothek Auwiesen,Wüstenrotplatz 2

Weitere Inforamtionen unter: http://www.vsg.or.at/view_angebot.php 

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