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Gute Nachrichten aus Linz-SĂĽd

Linz: Jeder vierte Straftäter ist noch Teenie. Linzer Jugendbande richtete aus Langeweile 41.000 Euro Schaden an. Fünf Jugendliche sprengten Apotheken-Tür mit „Super-Böller“. Jugendliche griffen Betreuerin an – Jugendclub in Auwiesen zugesperrt. Mit solchen und ähnlichen Schlagzeilen entstand im Jahr 2008 ein regelrechter medialer Hype um „worst news“ aus dem Linzer Süden, „bad news“ waren gestern. Die Lokalmedien schrieben über Eskapaden, die Lokalpolitik forderte Planquadrate, Stadtwache u.ä.m. Durchaus probate Mittel, wenn es gar nicht mehr anders geht, meint Erich Wahl vom Linzer Verein Jugend und Freizeit, der in Linz seit 1976 Jugendzentren und Streetworkeinrichtungen betreibt. „Manchmal muss man gegen einzelne unbelehrbare Unruhestifter hart durchgreifen“, sagt er im Telefongespräch. Er weiß wovon er spricht. Als im Frühjahr 2008 die Situation im Auwiesener Jugendzentrum Alpha eskalierte und eine Mitarbeiterin tätlich angegriffen wurde, sperrte er die Einrichtung kurzerhand für ein Monat zu. Mittlerweile ist das Alpha wieder geöffnet und hat sich erfolgreich neu in Auwiesen verankert. Man ist für die Zukunft mehr als nur zuversichtlich. Die Medien jedoch interessieren diese „good news“ derzeit kaum.

Genauso wenig wie die Hintergründe erfolgreicher Jugendarbeit. Auf die weist Wahl in aller Bescheidenheit schon auch gerne hin. Da wäre z.B. jene Geschichte in Linz-Dornach in den 90iger Jahren, wo rechtsradikale Lask-Anhänger einen eigenen Club aufgesperrt hatten. Mit nur drei Mitarbeitern des Vereins konnte man die Lage entschärfen, von über 170 Jugendlichen waren im Endeffekt nur vier nicht aus der rechtsextremen Szene wegzubringen.

Generell sei Sozialprävention gerade in Bezug auf Jugendliche ein gute Sache, die sich im wahrsten Sinn bezahlt mache, so Wahl. Je nach Rechenart käme man auf den Faktor 1 zu 2 ½ oder 3½ im Kostenvergleich von Prävention und nachträglicher Intervention. Derzeit werden dazu keine konkreten Zahlen erhoben, aber man könne das durchaus machen, wenn es die Stadt wünsche.

Während die Politik gerne auf wahlkampftaugliche Polemiken setzt und mit der ultima ratio Polizeipräsenz Probleme lösen möchte, bohren die SozialarbeiterInnen und Streetworker beharrlich dicke Bretter. Und müssen sich dabei auch noch mit dem wenig hilfreichen Medienecho herumschlagen. „Auwiesen hat ein Image-Problem!“, bringt es Tomislav Dautovic vom neu eröffneten Stadtteilbüro des Vereins für Sozialprävention und Gemeinwesensarbeit (VSG) auf den Punkt. „In den Medien wird es als Ghetto dargestellt, was negativ für die BewohnerInnen ist. Für die Gruppe der Kinder und Jugendlichen ist das negative Image aber cool und bringt ihnen einen fragwürdigen Respekt auf der Straße ein“. Die Schreibe der Lokalpresse ist also Wasser auf den Mühlen einer negativ gepolten Street Credibility, die sich in Auwiesen gerne der Gangsta-Rap-Attitüde bedient. Darüber hinaus existiere in Auwiesen das Phänomen, dass aufgrund der vielen Grünflächen und Rückzugsräume auch viele Jugendliche aus anderen Stadtvierteln hierher kämen, hält Dautovic fest. Daraus resultierende Vandalismusakte hängt man aber dann generell dem Stadtteil um.

Dass die Jugendlichen grundsätzlich Platz brauchen, um gegen herrschende Normen und gesellschaftliche Regeln zu verstoßen, davon ist Erich Wahl überzeugt. Nicht „Draufhauen und Totschweigen“ sei hier der Lösungsansatz, sondern die Einrichtung benötigter Freiräume. Denn nur so können sich neue gesellschaftliche Entwicklungen ihren Weg bahnen, mit den gegebenen Umständen als Reibebaum. Da fällt dann auch schnell das Schlüsselwort Toleranz. Es sei eine Binsenweisheit, meint Wahl, dass eine Gesellschaft, je reicher sie ist, umso konservativer agiere. Besitzstandsverteidigung rules. Vielleicht wäre es – auch in der medialen Diskussion – einmal hilfreich, die reiche Stadt Linz im reichen Land Österreich als Nährboden für Intoleranz zu begreifen. Diese lässt sich am besten vor Ort abbauen, in der eigenen Siedlung, in der Nachbarschaft. Doch in Auwiesen haben die unmittelbaren Kontakte aufgrund der starken Fluktuation der BewohnerInnen abgenommen, so Dautovic. Der VSG versucht nun diese Kontakte zu erneuern und bestehende sichtbarer zu machen.

Die Nachbarschaft, jene zu anderen Sozialeinrichtungen, war in der solarCity von Beginn an das Problem bei der Ansiedlung eines Jugendclubs. Wahl bekennt, dass auch er, in die Sozialplanung der solarCity eingebunden, damals gegen eine Nachbarschaft von Volkshaus und Jugendclub gestimmt habe. „Wenn es dann zu Problemen gekommen wäre, kann man sich ja ausrechnen, wer den Kürzeren gezogen hätte.“ Die Erfahrung zeige, dass es bei unterschiedlichen Nutzerinteressen zu unauflösbaren Konflikten komme, die in der Regel dazu führen, dass die schwächere Nutzergruppe, in diesem Fall die Jugendlichen, den Kürzeren ziehen und in der Nutzung eingeschränkt werden. Allerdings hätte man beim Bau der solarCity bei der geplanten Sozialinfrastruktur generell stark gekürzt, so Wahl. Und aus dem eigenen, seit 2002 nicht einmal inflationsbereinigten Budget, wäre eine Finanzierung nicht machbar gewesen. Die für eine neue Einrichtung nötigen 150.000 Euro jährlich hätte man in anderen Jugendclubs einsparen und dort den Betrieb um ein bis zwei Tage einschränken müssen.

An der "abwartenden Haltung der Politik" (Wahl) ändert sich aber nun etwas. Nachdem man nachträglich ein Gymnasium installiert hat, dürfte nun auch endlich Bewegung in die Frage eines Jugendclubs kommen. Bei der Eröffnung des Festivals der Regionen haben Jugendliche ganz im Sinne des Projekts „claim your space“ erneut eine eigene Einrichtung gefordert. Das Engagement dürfte sich nun bezahlt machen, wie man informell in der solarCity vernimmt. Es dürfte sich eine Lösung anbahnen. Eine, die hoffentlich mehr ist, als die kürzlich angebotene Mitbenützung des Eltern-Kind-Zentrums.

Erich Wahl würde dieses positive Ende, das für die solarCity ein Anfang ist, sicher gefallen. Denn seiner Ansicht nach müssen die Jugendlichen auch durchaus selbst für ihre Sache kämpfen. Erfolgserlebnisse im demokratischen Prozess, die aus sozialem Engagement resultieren, bringen nämlich eine ganz andere Art von Street Credibility ein: eine gesellschaftlich nachhaltige. Jetzt müssen nur noch die Medien darüber berichten.

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